Ich muss zugeben, dass ich ein Sprossen-Spätzünder bin. Sicher, jeder von uns weiß von Klein an ein Butterbrot mit Kresse zu schätzen und der Geschmack ist uns allen wohlbekannt. Schon in der Volksschule haben wir mit großen Augen bestaunt, wie sich die tapferen kleinen grünen Stiele durch das kuschelige Watteparadies geschoben haben. Doch seit einiger Zeit erleben Sprossen im Allgemeinen ihre Renaissance (nach 5 gescheiterten Schreibversuchen schließlich doch im Duden nachgeschlagen und richtig geschrieben). Ob dies zu Recht geschieht wollte ich schließlich und endlich doch auch selbst ausprobieren.
Ist der Trend berechtigt?
Überall stoße ich auf Berichte über tolle Keimsprossen-Häuschen aus Terrakotta mit Siebeinsatz zum Erleichtern der Sprossen-Erziehungsarbeit. Doch ich habe beschlossen erst mal den umständlichen Weg zu gehen und anschließend für mich zu entscheiden ob ich diesen Trend mitmachen möchte oder – wie damals, als es plötzlich überall diese scheußlichen Overalls zu kaufen gab – beschließe, dass ich nicht alles toll finden muss, was in den Medien gehypt wird (ich stamme noch aus der Zeit, wo man jahrelang Skioveralls trug, mein Bedarf dafür ist also definitiv für die nächsten 30 Jahre gedeckt. Reden wir also wieder drüber, wenn ich in Pension bin, da find ich es ja vielleicht dann ganz gemütlich).
Na, jedenfalls habe ich meine Schubladen durchwühlt und doch tatsächlich noch zwei Zuckerlgläser von IKEA gefunden, die letztes Jahr meinen Hochzeits-Sweet-Table geschmückt haben, und befunden, dass die ihren schlechten Einfluss auf meine Ernährung wieder gut zu machen haben indem sie vom Zuckerl- zum Sprossenglas umfunktioniert werden. Zum Start habe ich mir im Bio-Laden den Keimsprossenmix von Sonnentor gekauft, mit Linsen, Senfkörnern und Bockshornklee.
Keimsprossen selber ziehen – so geht‘s

Die Körnderln werden erst mal für einige Stunden eingeweicht (Details könnt ihr immer in der Beschreibung auf der Packung entnehmen, in meinem Fall waren 4-6 Stunden angegeben). Dann werden sie gespült – ich habe
- das Glas geflutet und
- allesamt in ein Küchensieb geschwemmt,
- dann unter fließendem Wasser abgespült,
- das Glas noch ein bisschen ausgespült,
- die Samen etwas abtropfen lassen und
- wieder zurück ins Glas gegeben.
Diese Prozedur soll man nun ein paar Mal am Tag durchführen. Je besser und öfter man spült, umso geringer ist die Gefahr, dass die neu erschaffene grüne Welt den falschen Grünton erlangt und zu schimmeln beginnt.

Abwechslung am winterlichen Menüplan
Warum ich mir diesen Versuch antue? Nun, so sehr ich das winterliche Wurzelgemüse liebe, irgendwann ist es einfach Zeit für ein bisschen Abwechslung, die ich mir durch meine neuen kleinen Freunde erhoffe. Dabei sind meine Pläne keine großen: ich möchte einfach meinen Salat ein bisschen aufmotzen, träume von einem Butterbrot mit Grünzeug und Salz und stelle mir vor, dass sich die Sprossen auch auf einem Guacamole-Brot gut machen könnten.
Nun warte ich also. Und führe brav 3 mal pro Tag das Wasch-Ritual durch. Das hat schon etwas meditativen Charakter, das sag ich euch!
Was habe ich nun alles für Abenteuer durchlebt und wie hat’s geschmeckt?

Ich hab’s geschafft, die kleinen Pflänzchen sind wohlauf und recken ihre Köpfchen in Richtung Sonne (oder sagen wir, in Richtung Lichtquelle, denn in die pralle Sonne solltet ihr die Jungspunde nicht stellen). Kurz dachte ich schon, sie seien verloren, als ein paar von ihnen einen flaumigen Teenager-Bart ansetzten, aber nach ein bisschen Internet-Recherche war klar: die wollen bloß Wurzeln schlagen und haben sogenannte Wassersuchwurzeln gebildet. Vom Schimmel unterscheiden könnt ihr sie, weil die feinen Härchen nur an der Wurzel auftreten, aber nicht am Samen.


Nun hatte ich tatsächlich eine ganze Menge Keimsprossen zur Verfügung, um mich auszutoben. Sämtliche Kombinationen haben mich begeistert: Butterbrot, Avocado-Aufstrich, Suppen-Topping, Nudel-Deko – überall waren sie mit dabei und haben stets eine gute Figur gemacht. Die Linsenkeimlinge schmecken ein bisschen wie junge frische Erbsen und die Senf-Pflänzchen haben eine angenehme Schärfe: wirklich eine willkommene Abwechslung am winterlichen Speiseplan. Bei uns kommen sie jedenfalls ab jetzt öfters auf den Tisch!

Hmmm, iss das, das ist gesund!
Ein Satz der uns immer skeptisch werden lässt, oder? Doch tatsächlich haben Sprossen einen ungewöhnlich hohen Anteil an Vitaminen und Nährstoffen, sowie wir es bei Pflanzen in einer späteren Phase nicht wieder finden werden. Auch die gleiche Menge an frischem Gemüse kann hier nicht mithalten. Wenn sie erst einmal essfertig sind, kann man sie auch noch ein paar Tage im Kühlschrank aufbewahren. Jedoch nicht zulange, denn sonst würden sie austrocknen und an gesunden Inhaltsstoffen verlieren.
Was sind eure Lieblings-Keimlinge? Habt ihr ein tolles Rezept mit Keimsprossen, das ihr mit uns teilen möchtet?
Viel Freude beim Gärtnern im Kleinformat!