Garten 1×1: Apfelbaum schneiden für Anfänger

Als ich vor sechs Jahren meinen ersten Apfelbaum pflanzte, hab ich mich zugleich auch auf die Suche nach Informationen zum korrekten Schnitt gemacht. Wann, wie oft, wie den Apfelbaum schneiden? Ich hatte keine Ahnung. Aber heutzutage findet man ja eh alles im Web – das dachte ich zumindest. Denn die Informationen zu Schnittmaßnahmen an einem Apfelbaum waren für mich als Anfänger verwirrend, unvollständig, widersprüchlich. Und all jenen unter euch denen es bislang auch so erging, möchte ich die wichtigsten Regeln und Informationen zusammenfassen UND, da ich noch immer kein Experte bin: euch einen ganz tollen Youtube Channel zeigen, wo ihr euch diesbezüglich so richtig weiter bilden könnt!

Nachdem ich über die letzten Jahre hinweg stundenlang Baumschnitt-Videos angesehen und Artikel und Bücher gewälzt habe, fasse ich euch endlich mal die für mich wichtigsten Learnings zum Apfelbaum schneiden zusammen. Wenn ihr erst mal das Prinzip verstanden habt, geht es euch bestimmt gleich wie mir. Ich sehe euch auch schon vor dem Fenster stehen und euren Baum aus der Ferne analysieren und gedanklich schneiden (das mache ich tatsächlich oft tagelang bevor ich wirklich loslege) 😉

Warum eigentlich den Apfelbaum schneiden?

Also nur um nochmal mit Missverständnissen aufzuräumen: wir schneiden den Apfelbaum nicht, weil wir ihn kleiner machen und zusammen stutzen wollen. Der Schnitt dient dazu

  • die Gerüstäste in die richtige Richtung zu lenken,
  • Licht und Luft ins Innere der Baumkrone zu bringen damit sie nach Regenwetter schnell wieder trocknet, damit
  • Krankheiten und Pilzen vorzubeugen und
  • ein optimales Ausreifen der Äpfel zu fördern.
  • Auch beugt ein korrekter Schnitt der Alternanz vor (also dass ein Baum in einem Jahr Früchte ohne Ende trägt und sich fast übernimmt und im nächsten Jahr baumeln nur ein paar Äpfelchen dran und der Baum muss rasten.)

Also bitte lasst auf keinen Fall die ersten Jahre die Schere im Kasten, weil ihr vielleicht denkt euer Bäumchen wäre noch zu klein um ihm was weg zu schneiden. Denn: Je stärker der Rückschnitt, umso stärker der Neuaustrieb.

Grundlegende Infos und Tipps zum Apfelbaum schneiden

Erziehungsformen

Je nach Unterlage (Holz auf welchem der Baum veredelt ist), Zweck und Standort gibt es unterschiedliche Arten einen Baum zu schneiden. Meine Ausführungen beziehen sich allesamt auf eine Rundkrone.

  • Rundkronen bestehen aus einem Mitteltrieb und 3 weiteren Leitästen. Man spricht auch von Gerüsttrieben.
  • Bei Hohlkronen fehlt der Mitteltrieb. Er wurde entfernt um mehr Licht in die Krone zu bringen.
  • Spaliere werden flach an einer Hauswand oder einem Gerüst als eine Art Raumteiler erzogen.
  • Dann gibt es auch noch Spindelbäume, die nur aus einem Mitteltrieb und Seitenästen bestehen, und Säulenbäume (nur Mitteltrieb und Fruchttriebe).

Erziehungsschnitt vs. Erhaltungsschnitt

Es wird zwischen Erziehungsschnitt und Erhaltungsschnitt unterschieden. Von Erziehungsschnitt spricht man bei einem Apfelbaum in etwa die ersten 5-10 Jahre nach dem Pflanzen. Wenn ihr ihn dann in Form gebracht habt müsst ihr euer Werk nur mehr erhalten, pflegen und bewahren. Wenn ihr nicht gerade einen alten Obstgarten übernommen, gekauft oder geerbt habt, dann wird euch vermutlich in erster Linie der Erziehungsschnitt interessieren. Jaja, denn so ein Bäumchen will gut erzogen werden damit es sich auch benimmt im Garten und fein Äpfelchen liefert 😉

Baum analysieren und richtig schneiden

  • Schaut euch den Baum von allen Seiten an und tretet auch während dem Schneiden immer wieder einen Schritt zurück und seht euch euer Werk von weiter weg an.
  • Haltet die Schere immer so, dass die Schnittfläche beim Baum ist, damit kein Aststummel stehen bleibt, an dem wieder ein ungewünschter Austrieb erfolgen würde.

Grundlegendes Wissen zu Schnitt und Wachstum

  • Nochmals zur Wiederholung: Je stärker der Rückschnitt, umso stärker der Austrieb. Je stärker das Wachstum, umso weniger Energie hat der Baum für Früchte.

Zeitpunkt für den Schnitt am Apfelbaum

Geschnitten wird im Spätwinter wenn die starken Fröste vorbei sind. Ich mache das meistens Ende Jänner, Anfang Februar. Je weiter ihr den Schnitt hinaus zögert umso schwächer wird der Neuaustrieb. Steile Wasserschosser könnt ihr auch direkt im Sommer ausreißen wenn sie noch weich und nicht verholzt sind. Dann erspart ihr euch, sie im Winter raus zu schneiden und ihr verwundet den Baum weniger stark.

Es gibt beim Apfelbaum auch die Möglichkeit eines Sommerschnitts, etwa im Juli/August. Wenn ihr im Sommer schneidet, wächst er danach weniger stark nach als nach einem Winterschnitt. So kann man ihn ein bisschen „beruhigen“ und das Wachstum einschränken. Ich persönlich finde aber dass man vor allem als Anfänger aufgrund der vielen Blätter leicht den Überblick über die Äste verliert. Ich an eurer Stelle würde also erst mal im Winter das Schneiden üben und die Augen auf Astsuche schicken. Das geschulte Auge tut sich dann sicher auch im Sommer leichter.

Aufgrund der unterschiedlichen Wuchsform benötigt jede Obstart ihren individuellen Schnitt. Ein Kirschbaum ist also anders & zu einem anderen Zeitpunkt zu schneiden als ein Apfelbaum.

Was soll ich wegschneiden?

  • Schnippelt nicht an allen Ästen ein bisschen was weg, sondern eher ganze Triebe um die Anzahl der Wunden geringer zu halten. Einjähriges Holz kürzt ihr nur dann ein wenn ihr Wachstum auslösen wollt.
  • Äste, die nach innen in die Krone hinein wachsen, werden entfernt. Wenn ihr einen Ast einkürzt achtet ihr darauf, dass die oberste verbleibende Knospe nach außen zeigt (damit er nach außen weiter wächst und nicht nach innen).
  • Wassertriebe die steil nach oben wachsen werden entfernt. Oft entstehen sie an unsauberen Schnittstellen, also wenn ihr versehentlich einen Aststummel stehen lasst.

Wie schneide ich einen neu gepflanzten Apfelbaum? (Rundkrone – Erziehungsschnitt)

Gerüsttriebe festlegen

Lege nach dem Pflanzen vier Gerüsttriebe fest (1 Mitteltrieb und 3 Leitäste). Am Besten lässt du dich noch in deiner Baumschule beraten und ihn dir vielleicht sogar zurecht schneiden. Ich hab das damals so gemacht und nach dem zurecht schneiden sogar die beiden Halbstämme in meinen Peugeot 206 rein gebracht um mit ihnen nach Hause zu düsen 🙂 Wenn du z.B. im Oktober einen geschnittenen Baum pflanzt musst du nicht gleich drei Monate später wieder schneiden sondern wartest ein Jahr.

Apfelbaum im ersten Jahr nach der Pflanzung
Mein Gravensteiner Halbstamm im ersten Jahr. Mitteltrieb und 3 Leitäste sind deutlich zu erkennen.

Licht in die Krone bringen und Wachstum fördern

In den Folgejahren entfernst du nach innen wachsende Triebe und steil aufrecht wachsende Wassertriebe. An den Schnittstellen des Vorjahres sind oft 2 Äste entstanden (Konkurrenztriebe). Auch hier solltest du den nach innen wachsenden entfernen. Die Gerüsttriebe und andere einjährige Triebe die flach nach außen wachsen kürzt du um etwa ein Drittel ein. Achte dabei darauf, dass die letzte Knospe nach außen zeigt.

Hier seht ihr 2 Triebe die in Konkurrenz zueinander stehen. Den schwächeren, der eher nach innen wächst habe ich entfernt. Wischt nach links und rechts um die Unterschiede zu sehen.

Korrekte Ausrichtung & Saftwaage

Am Mitteltrieb achtest du darauf, dass die Außenknospe über der du die Schere ansetzt immer in eine andere Richtung zeigt, damit sich der Trieb über die Jahre nicht zu stark in eine Richtung neigt.

Bestimmt habt ihr auch schon mal was von der „Saftwaage“ gehört. Sagen wir mal so: um die Wachstums-Energie des Baums auf alle Gerüstäste gleichmäßig zu verteilen sucht ihr den schwächsten eurer 3 Leitäste. Die anderen 2 seitlichen Leitäste schneidet ihr etwa auf gleiche Höhe dieses Schwächsten zurück. Auch den Schwächsten kürzt ihr ein (ihr wisst ja, Rückschnitt führt zu Wachstum). Und dann richtet ihr noch die Höhe eures Mitteltriebs nach der Höhe eurer 3 Leitäste und schneidet ihn so, dass er etwa im 45° Winkel zu den Leitästen steht.

Wische nach links und rechts um meinen Apfelbaum 2017 vor und nach dem Schnitt zu sehen (achte auf das Thema Saftwaage beim rechten Bild!)

Ich würde mal schätzen, die ersten drei Jahre werden diese Maßnahmen ausreichen, da du so das korrekte Wachstum förderst und dein Baum noch nicht so viele Äste hat, die man korrigieren könnte oder müsste. Sieh dir einfach mal an wie es danach weiter geht:

Apfelbaum schneiden und Rundkrone formen

Nach drei bis vier Jahren wird dein Baum schon ziemlich gewachsen sein und viele neue Äste haben. Irgendwann war auch ich an dem Punkt angelangt, wo ich mich gefragt habe: Wie lange geht das jetzt so? Ich will ja nicht dass er ewig so stark weiter wächst, so groß wie der Baum jetzt schon ist. Soll ich nicht auch mal die Fruchtbildung fördern? Und darum jetzt meine Tipps für – sagen wir mal – Phase 2 🙂

„Leitet steile Triebe auf einen flachen, nach außen stehenden Seitenast um.“

  • Der stärkste Austrieb erfolgt an der höchsten Stelle. Ein Austrieb an der Unterseite ist immer schwächer als an der Oberseite. Wenn ein Ast unter die Waagrechte geneigt ist – also überhängt – dann treibt die Knospe am Scheitelpunkt am stärksten aus. Hat euer Baum also einen Ast der überhängt, dann schneidet ihr auf leicht steigendes Holz (ein Ast der leicht schräg nach oben steht).
  • Wenn Leitäste knapp nebeneinander in die gleiche Richtung zeigen, entfernt ihr den schwächeren.
  • Wollt ihr einen Baum in der Höhe begrenzen, dann schneidet NICHT ins einjährige Holz sondern leitet auf einen schwächeren Ast ab. Ansonsten entstehen an der Stelle mindestens 2 stark wachsende neue Äste.
  • Und dann noch einer der für mich wesentlichsten Punkte als ich nach vier Jahren Schneiden nicht mehr wusste wie ich weiter machen soll, weil ich vor lauter Ästen den Baum nicht mehr sah und mein Cox Orange schmal mit einer Vielzahl an steilen Ästen vor mir stand. Schneidet in diesem Fall den stärkeren, steileren Trieb heraus und leitet auf einen flacheren Seitenast um, der nach außen wächst. Für mich hat das Wort „umleiten“ den Schalter im Kopf umgelegt und plötzlich sah ich sie alle vor mir: die Äste die ich umleiten musste 🙂 Und ein Jahr später hatte der Cox Orange eine super schöne Rundkrone mit vieeeelen ersten Äpfeln, juhuu!

Das Lehrmaterial von den Profis

Ich habe euch ja eingangs versprochen euch einen Youtube Channel zu verlinken. Wenn ihr Details zum korrekten Schnitt hören und sehen wollt oder einfach ein paar mehr Beispiele braucht um euch Sicherheit für den ersten Schnitt zu holen, gibt es mittlerweile ganz tolle Videoanleitungen. Ich bin ein absoluter Fan des Youtube Channels der Baum- und Rebschule Schreiber aus Niederösterreich. Es gibt Videos zu Apfel-, Birn- und Steinobstbäumen, zu jungen Bäumen, zu alten die Korrekturen benötigen, und ja, es wird sogar ein Baumschnittvideo kommentiert, dass von jemand anderem hochgeladen wurde.

Seid ihr bereit?

Wenn ihr euch noch nicht loslegen traut, dann seht euch den Baum doch einfach noch ein paar Tage lang in Ruhe an und überlegt, welchen Ast ihr ihm wegnehmen könntet und solltet. Oder macht ein Foto und erledigt diese Aufgabe gemütlich im Wohnzimmer 🙂

In jedem Fall: greift zur Schere und zieht es durch! Ihr schafft das und auch wenn ihr nicht gleich der große Profi seid, ihr werdet über die Jahre dazu lernen und die Auswirkung eurer Maßnahmen sehen. Und wenn ihr im Nachhinein drauf kommt einen Fehler gemacht zu haben dann korrigiert ihr im Folgejahr. Lasst mich wissen wie es euch ergangen ist!

Lebt euren Hang zum Grünen!

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  • Das Schneiden eines Apfelbaums ist wirklich eine Kunst und erfordert Geschicklichkeit. Als Baumpfleger weiß ich, dass der richtige Schnittzeitpunkt und die richtige Technik entscheidend sind. Im Frühjahr und Sommer sollte man eher zurückhaltend schneiden, während man im Winter beherzter zur Sache gehen kann. Bei senkrecht wachsenden Trieben, den sogenannten Wasserschosse, ist es wichtig, sie vollständig zu entfernen. Und vergessen wir nicht, dass jeder Baum individuell ist und seine eigene Pflege benötigt.

    • Liebe Ulrike,
      absolut! Alleine schon bei den Apfelsorten merkt man die unterschiedlichen Wuchsformen. Da muss man als Laie sein Auge erst dafür schulen 🙂

  • Die detaillierten Schritt-für-Schritt-Anweisungen sind genau das, was ich gebraucht habe. Besonders gut fand ich, wie ihr auch auf die unterschiedlichen Jahreszeiten und ihre Auswirkungen auf den Baumschnitt eingegangen seid. Das verleiht eurem Beitrag eine praktische Note, die ihn von anderen Anleitungen abhebt.

    Vielen Dank für die motivierenden Worte und die tollen Ratschläge! Ich kann es kaum erwarten, meine Gartenschere zu schwingen und meinen eigenen kleinen Obstgarten zu schaffen.

    Grüne Grüße,
    Stephanie